Samstag, 15. November | 18:00 Uhr | Stadtkirche Lenzburg | Kollekte
Sonntag, 16. November | 17:00 Uhr | Fraumünster Zürich | Tickets
Freitag, 21. November | 20:00 Uhr | Dreifaltigkeitskirche Bern | Kollekte
Farbenreiche Entrückung
Mitten im Wüten des Zweiten Weltkriegs erhielt der französische Komponist und Organist Maurice Duruflé (1902-1986) den Auftrag für 10'000 Francs eine sinfonische Dichtung zu schreiben. Auftraggeber war das mit den Nationalsozialisten kollaborierende Vichy-Regime. Statt einer grossen sinfonischen Dichtung machte sich Duruflé an eine Vertonung der lateinischen Totenmesse, für deren Vollendung er ganze sechs Jahre brauchen sollte. Als sein Requiem 1947 endlich zur Uraufführung gelangte, war der Krieg zu Ende und das Vichy-Regime abgesetzt. Der stets an sich und seinen Fähigkeiten zweifelnde Duruflé – nur vierzehn seiner Kompositionen versah er mit einer Opus-Zahl – musste selbst nach der sorgfältigen Beendigung der Partitur noch vom Musikerfreund Marcel Dupré überzeugt werden, das Werk herauszugeben.
Wer angesichts des historischen Kontextes der Komposition eine Totenmesse in der Tradition von berühmten Werken der Gattung erwartet – mensch denke an Giuseppe Verdis apokalyptische Dies Irae-Vision, die explizite Gegenwartverortung von Benjamin Brittens War Requiem oder die mythisch überhöhte Tragik von Wolfgang Amadeus Mozarts Requiem – mag von Gestalt und Klanglichkeit der Schöpfung Duruflés überrascht sein. Anstelle düster-dramatischer Affektgestaltung und musikalisch manifestiertem Fatalismus tritt eine lichte Musik der Entrückung und der stillen Introspektion. Die Dies irae-Sequenz mit ihrer Schilderung des Tages des Jüngsten Gerichts fehlt fast gänzlich – welche Wirkung hätte eine künstlerische Ausdeutung des Untergangs nach den Schrecken des Krieges noch haben können? Nur die letzten beiden Verse der Sequenz («Pie Jesu, Domine»), die Bitte nach ewiger Ruhe durch die Milde des Herrn, werden vom Mezzosopran gesungen, begleitet von einem solistischen Cello. Dieses ebenso innige wie zarte Gebet bildet denn auch das emotionale Kernstück des Werks.
Von der Orgel her gedacht
Duruflés Requiem weist in Struktur und Ästhetik etliche Ähnlichkeiten zu Gabriel Faurés Vertonung der lateinischen Totenmesse aus dem Jahr 1887 auf – ein Werk, das Duruflé sehr bewunderte. Für beide Komponisten steht die Orgel mit ihrem nahezu unerschöpflichen Reichtum an klangfarblichen Möglichkeiten im Zentrum der Komposition – beide Werke existieren je in einer Fassung für grosses Orchester, Kammerorchester und Orgel und Orgel solo. Die Virtuosität des Orgelparts ist etwa im strahlenden Sanctus oder im wuchtigen Libera eas zu erleben, während das Lux aeterna einen Wechselgesang zwischen Chor und Orgel beschreibt. Im Kyrie schimmert ferner ein Hauch Bach’scher Kontrapunktkunst – für Organist*innen damals wie heute ein Fixpunkt – durch die Partitur.
Die Vokalstimmen wiederum sind – wie in nahezu allen Vokalkompositionen Duruflés – ganz der Tradition der Gregorianik verpflichtet. Duruflé schrieb hierzu:
«Das (...) Requiem basiert gänzlich auf Themen der gregorianischen Totenmesse. Manchmal ist der Notentext vollständig übernommen, der Orchesterpart dient dann nur zu seiner Unterstützung und Kommentierung; ein anderes Mal habe ich mich lediglich inspirieren lassen oder mich völlig entfernt (...).»
Die oft einstimmig vorgetragenen gregorianischen Themen, die Duruflé gekonnt in eine freischwebende Rhythmik überträgt, vermitteln in Kombination mit der farbenprächtigen, impressionistischen Harmonisierung einen Eindruck von Zeitlosigkeit zwischen Vergangenheit und Moderne. Im abschliessenden In paradisum psalmodieren die Chorsoprane scheinbar aus der Ferne über irisierende Orgelklänge, ehe die Musik gänzlich in andere Sphären entrückt.
Die Entrückung, die der mysteriös betitelte Satz Nimrod aus Edward Elgars (1857-1934) nicht weniger rätselhaften Enigma Variationen für grosses Orchester beim Uraufführungspublikum ausgelöst haben muss, können wir nur erahnen. Bis heute gehört dieser umwerfende Orchestergesang zu den beliebtesten Stücken des klassischen Repertoires und verzückt auch in der vokalen Bearbeitung des Komponisten John Cameron, der Elgars melodischen Linien den Text des Lux aeterna unterlegte.
| Anke Vondung, Mezzosopran | |
| Henryk Böhm, Bariton | |
| Ekaterina Kofanova, Orgel | |
| Vokalensemble Belcanto | |
| Jörg Ulrich Busch Leitung | |
| Programm | ||
| Jean Langlais (1907-1991) |
Prélude au Kyrie für Orgel aus Missa in simplicitate Bariton und Orgel - Sanctus - Benedictus - Agnus Dei |
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| Maurice Duruflé (1902-1986) |
Ubi Caritas op.10, No.1! Chor a cappella |
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| Louis Vierne (1870-1937) |
aus Les Angélus op.57 Mezzosopran und Orgel - Au Matin - Au Soir |
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| Edward Elgar (1857–1934) |
Lux Aeterna Chor a cappella |
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| Maurice Duruflé | Requiem op.9 Soli, Chor und Orgel - Introït - Kyrie - Domine Jesu Christe (Offertorium) - Sanctus - Hosanna - Benedictus - Pie Jesu (Mezzosopran) - Agnus Dei - Lux aeterna - Libera me - In paradisum |
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